Performance: A Big Year
26. Juli 2025, 18:00
St. Petri zu Lübeck

Performance: A Big Year
26. Juli 2025, 18:00
St. Petri zu Lübeck

Im Rahmen der Ausstellung VOM HIMMEL GEFALLEN wurde die Performance A BIG YEAR der Künstlerin Annika Kahrs als zentrales Vermittlungsformat im Kirchenraum von St. Petri realisiert. Die Arbeit thematisierte das Verhältnis von Mensch und Vogel über das Medium Klang und richtete sich sowohl an ein kunstinteressiertes Publikum als auch an Besucher:innen mit Interesse an wissenschaftlicher und ökologischer Forschung.
Im Mittelpunkt stand das akustische Vermächtnis des US-amerikanischen Ornithologen Ted Parker III, dessen außergewöhnliches Gehör es ihm ermöglicht hatte, über 4.000 Vogelarten anhand ihres Gesangs zu identifizieren. Diese Fähigkeit veränderte die ornithologische Praxis und insbesondere die Dokumentation von Vogelstimmen nachhaltig.
Kahrs griff in ihrer Performance auf historische Originalaufnahmen aus der Macaulay Library des Cornell Lab of Ornithology zurück. Dazu zählten sowohl Feldaufnahmen von Vogelstimmen als auch Tonaufzeichnungen von Parkers eigener Stimme. Der Kirchenraum wurde dabei zum Resonanzkörper für dieses klangliche Archiv.
Ergänzt wurde das akustische Material durch Live-Elemente: Triangeln, die Stimmen der Performer:innen sowie Tonbeiträge zeitgenössischer Ornitholog:innen, die das Gehörte kontextualisierten.
Als Begleitprogramm verknüpfte A BIG YEAR künstlerische, wissenschaftliche und sinnlich-erfahrbare Ebenen miteinander. Die Arbeit eröffnete den Besucher:innen einen Zugang zur Welt der Vögel über das bewusste Hören und lud zugleich zur Auseinandersetzung mit Fragen nach Wahrnehmung, Erinnerung und der Flüchtigkeit von Klangarchiven ein. Dabei stellte sie auch grundlegende Fragen: Wie kommuniziert der Mensch mit dem Nicht-Menschlichen? Und wie lässt sich über Klang Nähe herstellen, ohne sich anzueignen?
Der Titel der Performance bezog sich auf die ornithologische Praxis des „Big Year“ – eines Wettbewerbs, bei dem möglichst viele Vogelarten innerhalb eines Jahres dokumentiert werden. Ted Parker selbst hatte 1971 einen Rekord mit 626 Arten in Nordamerika aufgestellt. Die Performance reflektierte dieses Motiv nicht als sportlichen Ehrgeiz, sondern als hörendes Archivieren und als Ausdruck tiefer Verbundenheit mit der Umwelt – ein „Wettlauf gegen die Zeit“, wie Kahrs es in der Arbeit poetisch anklingen ließ.
A BIG YEAR verstand sich als sensibel komponierte Schnittstelle zwischen Kunst, Wissenschaft und Publikum. Die Performance bot keine didaktische Vermittlung im klassischen Sinne, sondern einen Erfahrungsraum, in dem Zuhören, Verstehen und Erinnern zu gemeinsamen, offenen Prozessen wurden.

Annika Kahrs, *A BIG YEAR*, 2025, Copyright: Overbeck-Gesellschaft, Foto: Eric Bell

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