Vortrag: FLUCHTPUNKTE. Wege und Widerstand des jüdischen Exils in Lateinamerika
22. Januar 2026, 19:00
online
Vortrag: FLUCHTPUNKTE. Wege und Widerstand des jüdischen Exils in Lateinamerika
22. Januar 2026, 19:00
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Mit der Ausstellung ESTA LÍNEA ES MI ARMA widmet die Overbeck-Gesellschaft der chilenischen Künstlerin Lotty Rosenfeld (1943–2020) noch bis zum 25. Januar eine umfassende Ausstellung, die ihr politisch und ästhetisch radikales Werk in den Mittelpunkt stellt. Rosenfeld wurde während der Militärdiktatur in Chile zu einer Schlüsselfigur des künstlerischen Widerstands – mit Aktionen, die den öffentlichen Raum in ein Terrain der Erinnerung und des Protests verwandelten. Ihr berühmtes Zeichen, das Kreuz auf der Fahrbahn, wurde zum Symbol für den Bruch mit autoritären Strukturen und für die Möglichkeit, Geschichte neu zu schreiben. Vor dem Hintergrund, dass Rosenfelds Familie – ihr Vater Ernst Rosenfeld war 1935 aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach Lateinamerika geflohen – ist die Ausstellung zugleich ein Kapitel in der Erzählung jüdischen Exils in Lateinamerika.
In diesem Kontext beleuchtet der Vortrag von Prof. Dr. Liliana Ruth Feierstein die weiteren historischen und kulturellen Fluchtlinien, die Rosenfelds Engagement rahmen. Unter dem Titel „Fluchtpunkte: Wege und Widerstand des jüdischen Exils in Lateinamerika“ führt Feierstein in eine weniger bekannte, doch zentrale Dimension der transatlantischen Geschichte ein: das jüdische Exil im globalen Süden.
Der Süden – eine terra incognita. Abseits der bekannten Zentren jüdischen Lebens in Europa, Nordamerika und Israel existiert im lateinamerikanischen Raum eine facettenreiche, lebendige jüdische Geschichte: von São Paulo bis México, von Buenos Aires bis Santiago de Chile. Diese Mosaike des Exils erzählen von Flucht, Neuanfang, intellektuellem Austausch und Widerstand – und sie verdienen es, ins Licht gerückt zu werden.
Zwischen 1933 und 1943 fanden rund 100.000 Jüdinnen und Juden in Lateinamerika Zuflucht vor der nationalsozialistischen Verfolgung. Ihre Ankunft prägte nicht nur das jüdische Leben in den Aufnahmeländern, sondern veränderte auch nachhaltig die kulturelle und gesellschaftliche Landschaft des Kontinents. Besonders einflussreich waren drei Gruppen: Psychoanalytikerinnen, Künstlerinnen sowie Rabbiner und Kantoren, die mit ihren Ideen, Institutionen und Netzwerken neue Räume des Denkens und Erinnerns schufen.
Der Vortrag widmet sich diesen Prozessen des Kulturtransfers – und beleuchtet zugleich eine zweite historische Konfrontation mit autoritären Regimen: den Militärdiktaturen im Cono Sur. Viele, die einst vor dem Faschismus in Europa geflohen waren, engagierten sich nun erneut im Widerstand – unter ihnen Künstlerinnen wie Lotty Rosenfeld, deren Werk und Aktivismus tief von den Erfahrungen des Exils und der globalen Kämpfe gegen Unterdrückung geprägt waren.