Esta línea es mi arma (DE)
2025

Esta línea es mi arma (DE)
2025

“Esta línea es mi arma.”
—Lotty Rosenfeld, 1982


Exilantin, Feministin, Stadtchoreografin, politische Aktivistin und Konzeptkünstlerin – Lotty Rosenfeld wurde 1943 in Santiago de Chile geboren. Ihre Familie war geprägt von Flucht und Überlebenskampf. Ihr Vater, Ernst Rosenfeld, floh 1935 aus Nazi-Deutschland nach Lateinamerika. Ihre Großeltern, Rudolf und Charlotte Rosenfeld, überlebten den Krieg in Sibirien und siedelten später nach Chile über. In Santiago baute die Familie ein neues Leben auf – und ein Café, das Erinnerungen an Europa wachhielt.

Aufgewachsen im Schatten des Holocaust und inmitten der politischen Spannungen des Nachkriegs-Chile, entwickelte sich Rosenfeld zu einer Künstlerin, die politische Systeme und alltägliche Räume hinterfragte. Ihre Arbeit entstand während der Pinochet-Diktatur, in einer Zeit, in der öffentliche Proteste verboten und staatliche Gewalt allgegenwärtig waren. Die Straße wurde für sie zum Medium und zur Botschaft.

1978 schuf Rosenfeld ein Werk basierend auf einer historischen Fotografie vom Jonas Daniël Meijerplein in Amsterdam, dem Ort einer frühen Massenverhaftung von Jüd:innen. Sie manipulierte das Bild durch Schnitte und Perforationen, dabei tauchte erstmals ihr ikonisches Motiv auf: die weiße Linie. Diese Linie durchbrach die visuelle Ordnung und symbolisierte Widerstand gegen staatliche Kontrolle.

1979 begann Rosenfeld ihre bekannteste Werkserie: Una milla de cruces sobre el pavimento (Eine Meile Kreuze auf dem Bürgersteig). Mit weißem Klebeband und einer tragbaren Schablone, verwandelte sie Verkehrsmarkierungen in Kreuze – Zeichen des Bruchs und der Verweigerung. Diese symbolischen Akte des Ungehorsams führte sie an Orten der Macht aus: vor dem Palacio La Moneda, dem Weißen Haus, in der Atacama-Wüste, an der chilenischen Börse und an der deutsch-deutschen Grenze.

Im selben Jahr wurde Rosenfeld Mitbegründerin des Künstlerkollektivs Colectivo Acciones de Arte (CADA). Gemeinsam mit Dichter:innen, Soziolog:innen und Künstler:innen definierte sie Kunst als soziale Intervention neu. Ihre Ästhetik war minimalistisch, ihre politische Botschaft jedoch kraftvoll. Auf einigen Fotografien stempelte sie: „Esta línea es mi arma“ („Diese Linie ist meine Waffe“).

Die Ausstellung Lotty Rosenfeld: Esta línea es mi arma ist die erste umfassende Werkschau ihrer Arbeit im deutschsprachigen Raum. Sie vereint Archivmaterial, Performancedokumen­tationen, frühe Installationen und bislang unveröffentlichte Werke. Sie zeichnet den Weg einer Künstlerin nach, deren Leben und Schaffen zwischen Vertreibung und Widerstand, Auslöschung und Zeichen angesiedelt ist. Diese Ausstellung würdigt nicht nur das Werk einer radikalen Stimme der Konzeptkunst, sondern fordert dazu auf, die transformative Kraft der Kunst als Akt des Erinnerns und des politischen Widerstands neu zu denken.

Paula Kommoss